Veranstaltungen

Überblick:

Lebenslang. Theaterperformance von und mit Daniel Langbein Wien 2019
Theater-Projekt: Macht Gelegenheit Mörder Wien 2016
Buchpräsentation: Wer war Klara aus Šentlipš /St. Philippen? Wien 2015
Info-Abend zum Frauen-KZ Lichtenburg Wien 2008
Programmbeiträge in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück


Eine Veranstaltung der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen:
Lebenslang. Theaterperformance von und mit Daniel Langbein
Konzept, Regie und Schauspiel: Daniel Langbein
Kostüm: Ulrike Kunze
Bewegungscoaching: Anna Maria Damm
Dramaturgie: Kathi Loch
Künstlerische Mitarbeit: Nils Zapfe

Hermann Langbein, Widerstandskämpfer, Auschwitz-Überlebender, Autor, und Daniel Langbein, Schauspieler: Großvater und Enkel begegnen sich und das Publikum wird Zeuge, wie sich Zeitschichten übereinanderlegen und Spuren der Vergangenheit im Hier und Jetzt der Aufführung sichtbar werden. Daniel Langbeins Solo „Lebenslang“ (UA Dresden, 2017) ist die zweite Arbeit, in der er sich mit dem Nachlass seines Großvaters auseinandersetzt.

Daniel Langbein in: Lebenslang. © Marco Prill

Daniel Langbein zu seinem Stück:
Ich bin Schauspieler, 1987 in Wien geboren und befasse mich seit meiner Ausbildung an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz mit der Person und der Geschichte meines Großvaters Hermann Langbein. Er kämpfte im spanischen Bürgerkrieg mit den Internationalen Brigaden und kam über französische Lager zuerst nach Dachau und von 1942 bis 1944 für zwei Jahre in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Er konnte gemeinsam mit anderen eine internationale Widerstandsorganisation in Auschwitz aufbauen, überlebte und hat sein gesamtes Leben der Aufarbeitung des Erlebten und der wissenschaftlichen Analyse von Auschwitz und anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern gewidmet.
Ein kleiner Teil seines Nachlasses ist eine Reihe von Videointerviews, die 1983 geführt wurden. Dieses Bildmaterial war Ausgangspunkt für meine Arbeit „Lebenslang“. Ich suchte nach einem persönlichen Zugang zu dem Vermächtnis meines Großvaters und fand mit diesem Stück eine Möglichkeit, mit theatralen Mitteln eine Auseinandersetzung mit unserer Geschichte anzustoßen.

Das Solo „Lebenslang“ entstand im April 2017 am tjg theater junge generation
in Dresden, es dauert etwa 15 Minuten und wird begleitet von einem
moderierten Nachgespäch.

ORT: Theater Drachengasse
Fleischmarkt 22, Eingang Drachengasse 2
1010 Wien


MACHT GELEGENHEIT MÖRDER
Ein Theaterstück von und mit
Daniel Langbein und Lukas Stöger
14. und 15. April 2016

Eine Veranstaltung der Plattform österreichische Lagergemeinschaften Auschwitz, Buchenwald, Flossenbürg, Dachau, Mauthausen und Ravensbrück (www.oelg.at), in Kooperation mit der Gesellschaft für politische Aufklärung (GfpA) und _erinnern.at_  / organisiert von der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen.

Hermann Langbein, der Großvater eines der Protagonisten des Stücks, hat in seinem Buch „Die Stärkeren“ über seine Erfahrungen als Häftling in den Konzentrationslagern Dachau und Auschwitz berichtet.
In packenden 50 Minuten konfrontieren sich Daniel Langbein und Lukas Stöger mit diesem Buch und setzen es mit Szenen aus dem gegenwärtigen Alltag in Beziehung. Ihre Fragen zum Text des KZ-Überlebenden zeigen die Notwendigkeit einer bewussten Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Haltungen und Denkweisen auf.

Einladungskarte zu „Macht Gelegenheit Mörder“

Videostill: Daniel Langbein und Lukas Stöger in „Macht Gelegenheit Mörder“ © Bernadette Dewald

Im Anschluss an die Aufführungen fanden Publikumsgespräche mit den Darstellern und u.a. mit    Dr.in Brigitte Halbmayr, Verfasserin der Hermann Langbein-Biografie „Zeitlebens konsequent“, statt.

  Aus Mitschnitten dieser Aufführungsreihe in Wien wurde eine DVD produziert, die für Schulen über _erinnern.at_ zu beziehen ist. Des Weiteren können die DVD sowie die Rechte für Screenings (öffentliche Aufführungen) über  LGRav_FreundInnen@gmx.net  erworben werden.
Preis der DVD: 15,- € pro Stück + Versandkosten
Eine Filmdatei in hoher Auflösung für Screenings ist vorhanden!

<< zum Überblick


Buchpräsentation: Wer war Klara aus Šentlipš /St. Philippen?

Am 24. März 2015 präsentierte die Autorin Brigitte Entner auf Einladung der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen (ÖLGR/F) ihr 2014 beim Drava-Verlag erschienenes Buch „Wer war Klara aus Šentlipš / St. Philippen? Kärntner Slowenen und Sloweninnen als Opfer der NS-Verfolgung. Ein Gedenkbuch“ in den Ausstellungsräumen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW).
Helga Amesberger, die für die ÖLGR/F durch die Veranstaltung führte, sprach von einem „gewaltigen Buch“. „Gewaltig“ sei das Buch nicht nur seines Umfangs wegen – stattliche 535 Seiten –, sondern v.a. aufgrund seiner profunden Aufarbeitung der Geschichte der Verfolgung der Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Es beeindrucke durch seine differenzierte historische Darstellung und es sei auch „gewaltig“ in dem Sinne, dass durch die Kurzbiographien der über 500 Ermordeten und Umgekommenen die nationalsozialistischen Übergriffe und Gräueltaten greifbar würden.
Der Gastgeber, Gerhard Baumgartner, Leiter des DÖW, betonte ebenfalls die wissenschaftliche Gründlichkeit, mit der Brigitte Entner vorgegangen ist. Insbesondere hob er hervor, dass die Autorin eine Vielzahl an Quellentypen herangezogen hat – von Überlebendenberichten, nationalsozialistischen Dokumenten bis hin zu Opferfürsorgeakten und Beständen der Opferverbände – und es ihr so gelang, den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes innerhalb der Kärntner SlowenInnen ein differenziertes Andenken zu setzen. Brigitte Entner schreibt dazu in ihrem Buch: „Unter den Opferbiographien finden sich Zivilisten, Partisanen und Wehrmachtsangehörige, Kinder und Jugendliche, Frauen und Männer.“ (S. 28)
Die Autorin ging in ihrer Präsentation auf ihre Beweggründe, dieses Buch zu schreiben, und die Schwierigkeiten der wissenschaftlichen Recherchen ein. Am Beispiel einzelner Biographien verdeutlichte sie, dass sich Widersprüche und Lücken in der Biographie heute oftmals nicht mehr schließen lassen. Ihr sei es ein Anliegen gewesen, dies auch sichtbar zu machen und keine geglätteten, scheinbar vollständig rekonstruierten Lebensgeschichten zu schreiben.
In der anschließenden sehr regen Publikumsdiskussion ging es um Detailfragen zum Buch, v.a. aber um den Umgang Kärntens und Österreichs mit der Verfolgung der Kärntner SlowenInnen nach 1945 bis heute sowie dessen Auswirkungen auf die slowenische Minderheit in Kärnten.

2015_entner-buchcover

Über das Buch
Die Historikerin Brigitte Entner legt mit dem Gedenkbuch „Wer war Klara aus Šentlipš/St. Philippen?“ die erste umfassende und systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den kärntnerslowenischen Opfern der NS-Verfolgung vor. Das Gedenkbuch erinnert an die über 550 Kärntner Slowenen und Sloweninnen, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Es handelt sich um Partisaninnen und Partisanen, KZ-Häftlinge, politisch Verfolgte, Vertriebene, Zivilist_innen, Kinder und Jugendliche. Sie mussten im KZ, in Zuchthäusern, in Gefängnissen, in der zwangsweisen Aussiedlung ihr Leben lassen, wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Kurzbiografien, teils mit Fotos versehen, rücken die Frauen, Kinder und Männer wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Sie verzeichnen Orte und Stationen der Verfolgung und des Widerstandes: Die Geschichten der frühen Opfer des Jahres 1938 werden ebenso beleuchtet wie die zwangsweise Aussiedlung im April 1942 und der aktive Widerstand zwischen Eisenkappel/Železna Kapla und dem Gailtal/Zilja.

Brigitte Entner: Wer war Klara aus Šentlipš/St. Philippen? Kärntner Slowenen und Sloweninnen als Opfer der NS-Verfolgung. Ein Gedenkbuch
Klagenfurt-Wien/Celovec-Dunaj 2014
Hardcover, 536 Seiten, 24,80 Euro

<< zum Überblick


Österreicherinnen im KZ Lichtenburg
Info-Veranstaltung in Wien über das erste Frauen-KZ

Karte-front.inddAm 16. Oktober 2008 gestaltete die ÖLGR/F im Wiener Depot einen Abend zum KZ Lichtenburg, dem hierzulande fast unbekannten KZ in Sachsen-Anhalt, das ein Vorläufer des Frauen-KZ Ravensbrück war. Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nazis 1938 wurden die ersten Österreicherinnen dorthin deportiert.
Anhand von Biografien ehemaliger Häftlinge und einer österreichischen Aufseherin wollten wir – im Gedenkjahr 2008 – mit der Geschichte des KZ Lichtenburg ein Schlaglicht auf den Beginn der Verfolgung widerständiger und „gemeinschaftsfremder“ Frauen werfen.
Brigitte Halbmayr brachte in ihrem Eingangsreferat den zahlreichen ZuhörerInnen die Geschichte des KZ Lichtenburg nahe und erzählte von jenen ersten Österreicherinnen, die dort inhaftiert waren und deren Namen wir zum damaligen Zeitpunkt kannten.

Das KZ Lichtenburg
Das KZ Lichtenburg befand sich in einem Schloss aus dem 16. Jahrhundert in Prettin in Sachsen-Anhalt. Das Gebäude wurde bereits seit 1812 als Zuchthaus genutzt und 1928 wegen mangelhafter baulicher und sanitärer Zustände geschlossen.
Die Nationalsozialisten eröffneten trotz dieser schlechten Bedingungen im Juni 1933 in der Lichtenburg abermals eine Haftstätte, und zwar ein Konzentrationslager für Männer. Geplant für bis zu 800 Häftlinge, war das Lager bereits Ende September 1933 mit 1675 Männern hoffnungslos überfüllt. Mitte August 1937 wurde das Männerlager aufgelöst, die Häftlinge waren zuvor in die KZ Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald überstellt worden.
Von Jahresende 1937 bis 1939 befand sich in der Lichtenburg ein Frauen-Konzentrationslager. Am 15.12.1937 wurde mit einem Transport von 200 weiblichen Häftlingen aus Moringen das frühere Sammellager wieder in Betrieb genommen. Es sollte ca. 500-600 Frauen aufnehmen. Mitte April 1938 waren dort bereits 1064 Frauen inhaftiert und das Frauen-KZ, entgegen den ursprünglichen Planungen, zahlenmäßig überbelegt.
Im Herbst 1937 wurde beschlossen, die Lichtenburg als zentrales Frauen-KZ für das gesamte Deutsche Reich einzurichten. Bis 1939 sind 1415 Häftlingsnummern belegt. Wie später auch in Ravensbrück war das Lager nach außen hin von SS-Männern (rund 120) bewacht, während für die unmittelbare Überwachung der hier Inhaftierten uniformierte SS-Aufseherinnen – anfangs 26, später ca. 50 – eingesetzt wurden.
Die gefangenen Frauen setzten sich aus verschiedensten Verfolgtengruppen zusammen. Die Bibelforscherinnen, die Politischen und die Jüdinnen waren im Schloss in großen Schlafsälen untergebracht, im Zellenbau die als Prostituierte Inhaftierten.
Die Verpflegung bestand aus (Kohl-) Eintopf, auf das Brot gab es Harzer Käse oder ein bisschen billige Wurst. Aus Geldüberweisungen konnten die Häftlinge zusätzlich etwas kaufen. Die ärztliche Betreuung war katastrophal und zynisch.
Die Häftlingen mussten Zwangsarbeit leisten: in der Küche, der Effektenkammer und der Wäscherei, einzelne in der Schreibstube; Kohlen abladen, heizen, die eisernen Bettgestelle und Schränke über Wendeltreppen schleppen, die Unterkünfte der Aufseherinnen und der Wachmannschaften scheuern, die Latrine leeren, in der Schneiderwerkstatt, der Gärtnerei und der Landwirtschaft schuften, Wassergräben reinigen und Sand abbauen.
Bei „Verstößen“ gegen die Lagerordnung gab es drakonische Strafen: Auspeitschen auf dem Prügelbock, Essensentzug, Schreibverbot und Bunker.
Im Mai 1939 wurde die Lichtenburg geschlossen, die Frauen, ca. 1.000 weibliche Häftlinge, in das neu errichtete (aber noch nicht fertig gestellte) KZ Ravensbrück überstellt. Ebenso wurden die Kommandanturangestellten und die Aufseherinnen alle vom KZ Ravensbrück übernommen. Das Frauen-KZ Lichtenburg war somit der direkte Vorläufer für das Frauen-KZ Ravensbrück.
An dieser Stelle berichteten wir auch über eine der zahlreichen österreichischen KZ-Aufseherinnen: Maria Mandl. Sie war schon im KZ Lichtenburg, wohin sie sich freiwillig gemeldet hatte, als besonders grausam bekannt. Danach machte sie „Karriere“ in Ravensbrück und später in Auschwitz. 1947 wurde sie von einem polnischen Volksgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. In ihrem Heimatort in Österreich wird das so dokumentiert, als ob sie 1939 ins KZ eingeliefert worden und 1945 verschollen wäre.
Nach 1945 wurden das Schloss Lichtenburg und die angrenzenden Ländereien bis 1990 von einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) der DDR genutzt. Im Bunker des ehemaligen KZ wurde 1965 eine Mahn- und Gedenkstätte eingerichtet, die 1974 erweitert wurde.
Ab 1995 musste die Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis e. V. um den Erhalt der Gedenkstätte ringen. Im Spätsommer 2000 sollte die Lichtenburg als Eigentum des Bundes verkauft werden. Unter dem Motto „KZ zu verkaufen“ brachen im In- und Ausland Proteste los. An den Bundestag wurden Anfragen gestellt. Im November 2004 drohte der Gedenkstätte erneut die Schließung. Erst nach Protest erklärte sich die Landesregierung zur Kostenbeteiligung bereit.
Der „Arbeitskreis Schloss und Gedenkstätte Lichtenburg e.V.“, der aus einem Zusammenschluss von einigen Studierenden entstanden ist, sorgt sich weiterhin um die Belange der Gedenkstätte. Bislang ist es dem Verein bereits gelungen, die Lichtenburg zum Gegenstand der akademischen Forschung und Auseinandersetzung zu machen.

Marianne S., Susanne Benesch und Hanna Sturm
Wir portraitierten dann drei Frauen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen ins KZ Lichtenburg deportiert worden waren.
Sylvia Köchl erzählte von Marianne S., die 1938 wegen illegaler Abtreibungen schon mehrfach vorbestraft war und nach ihrer letzten Verurteilung als „Berufsverbrecherin“ im KZ Lichtenburg inhaftiert wurde. In Ravensbrück hatte sie später Häftlingsfunktionen inne, darunter auch die der Lagerältesten. Sie überlebte, wurde aber 1947 wegen dieser Funktionen vor dem Volksgericht Linz angeklagt. Ihr wurde vorgeworfen, Mitgefangene gequält und sogar getötet zu haben. Zahlreiche Kameradinnen der soeben gegründeten Lagergemeinschaft Ravensbrück sagten zu ihren Gunsten aus. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben schließlich die Haltlosigkeit der Vorwürfe. Nach acht Monaten in Untersuchungshaft wurde Marianne S. 1948 wieder freigelassen, das Verfahren 1949 eingestellt. Danach verlieren sich ihre Spuren. Marianne S. starb im Mai 1988 in Salzburg.
Brigitte Halbmayr erzählte von Susanne Benesch. Sie war Krankenschwester und musste nach dem frühen Tod ihres Mannes allein für ihre Tochter Tatjana sorgen. Susanne Benesch war ein durch und durch politischer Mensch mit einem außerordentlichen Gerechtigkeitssinn. Bereits während des Austrofaschismus war sie mehrfach in Haft: Im August 1933 wegen einer Antikriegsdemonstration, im Herbst 1933 eine Woche rund um den Katholikentag, im Frühjahr 1935 war sie drei Monate in Haft. Die Nationalsozialisten sperrten sie bereits kurz vor der Volksabstimmung im April 1938 ein, mit der Begründung: „Wegen ihres Vorlebens besteht Grund zur Annahme, dass sie sich gegen das NS-Regime vergehen wird.“ Im September 1938 wurde sie abermals verhaftet. Ihre Tochter Tanja berichtet: „Am 19.9.1938 ging meine Mutter aufs Arbeitsamt und kam nicht mehr zurück. Ich blieb allein. Bis zu meiner Anstellung ab März 1939 lebte ich von Milch- und Zeitungsaustragen, Bedienungen, Hunde ausführen und ähnlichen Hilfsleistungen. Außerdem hatte ich ein Zimmer vermietet.“
Tanja, bei der Verhaftung der Mutter noch keine 16 Jahre alt, war von nun an auf sich allein gestellt, denn ihre Mutter konnte der NS-Verfolgungsmaschinerie nicht mehr entkommen. Susanne Benesch wurde zu Jahresbeginn 1939 von Wien ins KZ Lichtenburg überstellt. Von Maria Günzl, die vom ersten Tag an Freundschaft mit Susanne schloss, ist überliefert, dass Susanne auch im KZ „eine Gerechtigkeitsfanatikerin außergewöhnlicher Art“ war. Sie trat für eine bessere Behandlung der Häftlinge ein und widersprach groben Anweisungen der Aufseherinnen – was sie umgehend bereits in der Lichtenburg in das Gefängnis des KZs brachte.
Susanne Benesch wurde mit den anderen Frauen im Mai 1939 nach Ravensbrück überstellt, wo sie noch ein Jahr lang das schwere Lagerleben, geprägt von Zwangsarbeit, Mangelernährung, Demütigungen und Schikanen von Seiten der SS, ertrug. Die genauen Umstände ihres Todes im Frühjahr bzw. Sommer 1940 sind und bleiben wohl ungeklärt. Es werden darüber von Überlebenden zwei verschiedene Geschichten erzählt. Sicher ist aber, dass sie – entweder bei einem Arbeitseinsatz oder im so genannten Bunker von Aufseherinnen ermordet worden ist.
Maria Newald erzählte von Hanna Sturm. Hanna Sturm wuchs in Armut auf. Sie konnte die Schule nur kurz besuchen, da die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen konnten und musste schon mit sieben Jahren bei Bauern, auf Meierhöfen und in Fabriken arbeiten. Mit 14 Jahren führte sie ihren ersten Streik. Sie gewann, verlor aber ihre Arbeit, was ihr noch öfter passieren sollte. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie unterstützte sie in Ungarn den Kampf der 133 Tage dauernden Räterepublik unter Bela Kun. Sie wurde aus der Sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen und trat der kommunistischen Partei bei. Von da an war sie fast ständig arbeitslos und begann, sich mit anderen Arbeitslosen zu organisieren. Von 1930 bis 1932 arbeiteten Hanna und ihre Tochter Therese in einem Textilbetrieb in Leningrad/St.Petersburg. Therese blieb, Hanna setzte ihre politische Arbeit im Burgenland fort.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Hanna am 13. März 1938 verhaftet, ins KZ Lichtenburg und 1939 als Häftling Nr. 893 nach Ravensbrück deportiert, wo sie bis zur Auflösung des Lagers interniert blieb. Innerhalb des KZ beteiligte sie sich an absolut solidarischen Aktionen. Sie nahm etwa Toten die KZ-Nummer (und somit deren Identität z.B. als „arische“ Frauen) ab, um sie Lebenden zu geben. Um alte Frauen vor der Selektion zu bewahren, half sie, diese zu verstecken. Sie musste sich aber auch selbst irgendwie die Haare färben, um ihr Alter zu verschleiern und den Selektionen zu entgehen.
Als Überlebende des KZ Ravensbrück war Hanna Sturm nach dem Krieg Kronzeugin in mehreren Kriegsverbrecherprozessen in Deutschland. Verstorben ist sie 1984 im Alter von 93 Jahren in Zagreb.
Sie blieb bis ins hohe Alter aktiv, schrieb Beiträge in Zeitungen, verfasste ihre Autobiografie (mit 56) und das Buch „Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin. Vom Burgenland nach Ravensbrück“, um, wie sie schreibt, „der Jugend der künftigen Generationen den Schrecken des Faschismus und die Ausbeutermethoden des Kapitals vor Augen zu führen, damit sie aus diesem Buch die Kraft schöpfen, um bei einer eventuellen Wiederkehr des Faschismus gewappnet zu sein.“

Tatjana Maché und Svjetlana Hromin-Heidler
Tatjana Maché, die Tochter von Susanne Benesch, und Svjetlana Hromin-Heidler, die Enkelin von Hanna Sturm, wurden nun von Maria Newald zu den Erinnerungen an die Mutter und Großmutter befragt. Für beide waren diese Frauen große Vorbilder. Tanja hatte von ihrer Mutter Susanne viel von deren Gerechtigkeitssinn mit auf den Weg bekommen. Sie war von ihr zu großer Selbständigkeit im Denken und Handeln erzogen worden, lernte früh, sich nicht mit Ungerechtigkeiten abzufinden, bekam aber auch hautnah mit, was es schon vor dem Nationalsozialismus bedeutete, sich politisch so zu engagieren, wie Susanne es getan hat. Tanja berichtete voller Stolz von ihrer Mutter, aber auch die Trauer über ihren Tod war noch deutlich zu spüren.
Svjetlana Hromin-Heidler lernte ihre Großmutter Hanna Sturm erst als junge Erwachsene kennen, da sie in der Sowjetunion aufgewachsen ist. Die beiden Frauen fühlten sich aber gleich zueinander hingezogen und sie verband eine sehr herzliche Beziehung. Hanna habe, so Svetlana, aber kaum über ihre Vergangenheit oder das KZ gesprochen, sie habe sich vielmehr laufend um aktuelle Probleme gekümmert und sich stark engagiert. Svetlana, die damals in Zagreb lebte und arbeitete, musste vor dem Krieg in Jugoslawien flüchten und kam ins Burgenland. Hanna Sturm war da bereits verstorben. Svjetlana lebt bis heute in Hannas Haus, das diese eigenhändig nach ihrer Befreiung aus dem KZ gebaut hatte. Hanna Sturm hatte im KZ Ravensbrück die bekannte „Sturm-Kolonne“ angeführt, eine Gruppe von Frauen, die Handwerksarbeiten durchführte und sich im Lager relativ frei bewegen konnte. Diese Situation nutzen sie für zahlreiche gefährliche Hilfsaktionen. Auch Svjetlana sprach voller Bewunderung über ihre Großmutter. Die Details ihres Lebens erfuhr sie aber selbst nur aus den Büchern von Hanna Sturm, vor allem aus dem Buch „Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin. Vom Burgenland nach Ravensbrück“.

Zwischen den einzelnen „Kapiteln“ des Abends wurden Bilder von der Lichtenburg, v.a. aber von den portraitierten Frauen gezeigt, damit die ZuhörerInnen sozusagen Gesichter zu den Geschichten zu sehen bekamen. Nach der Veranstaltung luden wir zu einem kleinen Buffet, das viele zum Bleiben bewegte, um zu diskutieren und sich auszutauschen.

Brigitte Halbmayr, Sylvia Köchl und Maria Newald

Linktipps:
Zum KZ Lichtenburg und zur Gedenkstätte: www.lichtenburg.org
Zur Aufseherin Maria Mandl

<< zum Überblick


Programmbeiträge in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen (ÖLGR/F) trägt fast jedes Jahr mit einem Programmpunkt zur Befreiungsfeier in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bei, die immer an einem Wochenende im April, von Samstag bis Sonntag, stattfindet. Ausführliche Berichte über die Befreiungsfeiern finden sich übrigens in unserem jährlichen Mitteilungsblatt.

2017
„Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“ – Wege von „Berufsverbrecherinnen“ in das Konzentrationslager Ravensbrück lautet der Titel eines im Herbst 2016 in Wien erschienenen Buches, das sich erstmals überhaupt mit Frauen beschäftigt, die als sogenannte „Berufsverbrecherinnen“ von Österreich aus nach Ravensbrück deportiert wurden. Die Autorin Sylvia Köchl ist seit vielen Jahren bei der ÖLGR/F aktiv und konnte ihr Buch im Rahmen der Befreiungsfeier vorstellen.
2016
„… dass das heute noch immer so ist – Kontinuitäten der Ausgrenzung“
Ein Film der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark (D 2016, 60 Min)
Die Website zum Film: http://film-kontinuitaeten-heutenoch.de/
Der Film feierte seine Premiere im Rahmen der Befreiungsfeier 2016, die ÖLGR/F trat als Mitveranstalterin auf gemeinsam mit der (deutschen) Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. und der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.
Über den Film:  Der essayistische Dokumentarfilm „… dass das heute noch immer so ist – Kontinuitäten der Ausgrenzung“ schildert exemplarisch die Geschichte von Verfolgung und Stigmatisierung sogenannter „Asozialer“ im Nationalsozialismus. Maria Potrzeba wurde vorgeworfen, eine sexuelle Beziehung zu dem polnischen Zwangsarbeiter Florian Spionska zu haben. Sie war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Nach einem Verhör durch die Gestapo wurde sie in das Jugendkonzentrationslager Uckermark eingeliefert. Die polnischen Zwangsarbeiter Florian Spionska und Josef Goryl wurden öffentlich gehängt. Maria leidet bis heute unter der Verfolgung. Wie in allen Familien gibt es auch in ihrer Familie generationsübergreifende Auswirkungen der Verfolgungsgeschichte. In Interviewsequenzen erzählen Nichten und Neffen, wie sie von der Verfolgung ihrer Tante erfahren haben und was diese Geschichte für sie bedeutet. In vielen deutschen Orten gibt es vermutlich ähnliche Geschichten der Verfolgung und Ausgrenzung. In Marias Heimatort Asbeck wird sich seit Jahren um eine Aufarbeitung der Geschichte bemüht.
Maria Potrzeba wurde bei der Filmpremiere von ihrer Nichte vertreten, die eine eindrucksvolle Rede ihrer Tante vorlas: http://film-kontinuitaeten-heutenoch.de/?p=193
2015
Lesung mit der Schauspielerin und langjährigen Aktivistin der ÖLGR/F Gabriela Schmoll aus dem Buch „Es lebe das Leben!“ von Mali Fritz und Hermine Jursa über ihre Rückkehr aus dem KZ Ravensbrück nach Wien. Maren Rahman trug Lieder nach Gedichten von Toni Bruha vor.
2013
Brigitte Halbmayr und Helga Amesberger, beide im Vorstand der ÖLGR/F, präsentierten die neue Homepage www.ravensbrueckerinnen.at
In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wurde während der Befreiungsfeier 2013 auch die neue Hauptausstellung eröffnet, an der Mitglieder der ÖLGR/F als Angehörige von Opfern oder als Wissenschaftlerinnen mitgearbeitet haben. Namentlich waren das Helga Amesberger, Siegrid Fahrecker, Brigitte Halbmayr, Svjetlana Hromin-Heidler, Sylvia Köchl, die Familie Kupper sowie Christian und Elfriede Schober.
2012
Lesung der ÖLGR/F-Aktivistin Susanne Ayoub aus ihrem Roman „Das Mädchen von Ravensbrück“.
2011
Filmpräsentation mit Bernadette Dewald: Sie zeigte die zwei VISIBLE-Porträts „Lotte Brainin. Leben mit Eigensinn und Mut“ und „Friederike Furch. Lagerkind“ in Anwesenheit von Fritzi Furch.
2008
Samstag: Präsentation des Buches von Cecile Cordon „Ich weiß, was ich Wert bin! Irma Trksak, ein Leben im Widerstand“. Gabriela Schmoll las zunächst verschiedene Textstellen aus dem Buch und sprach danach mit Irma Trksak über ihre Erfahrungen.

Irma Trksak (li.) bei der Lesung. Foto: Helga Amesberger

Irma Trksak (li.) bei der Lesung. Foto: Helga Amesberger

Samstag Abend: Podiumsgespräch „Lebendiges Gedächtnis“. Am Anfang stand die Präsentation des neu erschienen Buches Lebendiges Gedächtnis,Die Geschichte der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück von Helga Amesberger und Kerstin Lercher. Das darauf folgende Podiumsgespräch unter der Teilnahme von Helga Amesberger (ÖLGR/F), Ingrid Bauz (Internationales Mauthausen Komitee), Thomas Gärtig und Gerd Schramm (Dt. Lagergemeinschaft Buchenwald), Thomas Lutz (Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten), Irma Trksak (ÖLGR/F), Michael Grill (Arbeitsgemeinschaft Neuengamme) und Rosel Vadhera-Jonas (Dt. Lagergemeinschaft Ravensbrück) beschäftigte sich mit dem Thema der Zukunft der Lagergemeinschaften und nahm sowohl Bezug auf die Gründungsgeschichten der einzelnen Organisationen wie auf das Thema „Generationenwechsel“ und auf welche Art und wie weit dieser vollzogen wurde.
Sonntag: Finissage der Ausstellung „Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichischen Überlebenden“ (von Daniela Gahleitner, Sylvia Köchl und Christa Putz).
2007
Die Ravensbrück-Überlebende Josefine Oswald kehrte zum ersten Mal seit der Befreiung an diese Ort zurück. Sie war bereit, den anwesenden Aktivistinnen der ÖLGR/F während eines Rundgangs von ihren Erinnerungen zu erzählen und diesen Rundgang auf Video aufnehmen zu lassen.

Elisabeth Kunesch (l.) diktiert Helga Amesberger (r.) das Gedicht von Käthe Leichter. Rechts hinter Helga Amesberger: Cathy, Joshua und Franz Leichter. Foto: Sylvia Köchl

Elisabeth Kunesch (l.) diktiert Helga Amesberger (r.) das Gedicht von Käthe Leichter. Rechts hinter Helga Amesberger: Kathy, Joshua und Franz Leichter. Foto: Sylvia Köchl

Sonntag: Lesung mit Gabriela Schmoll aus einer Collage von Texten von und über Käthe Leichter, die 1942 im KZ Ravensbrück zur Vergasung in Bernburg selektiert worden war. Dabei waren Käthes Sohn Franz und ihre EnkelInnen Kathy und Joshua Leichter anwesend. Die Lesung war kaum vorbei, als eine alte Dame auf Gabriela Schmoll und die anderen Mitglieder der ÖLGR/F zukam und aufgeregt nach dem Text eines jener Lieder fragte, die Käthe Leichter im KZ umgedichtet und ihren Kameradinnen beigebracht hatte. Es wurde leise während der Arbeit im Straßenbaukommando rezitiert. Es handelte sich dabei um die Nachdichtung des sozialistischen Liedes aus den 1930er Jahren „Kleiner roter Ziegelstein“ – der Text dieser Nachdichtung war aber leider nicht mehr bekannt, wie wir der Dame mitteilten. Diese Dame jedoch, die deutsche Ravensbrück-Überlebende Elisabeth Kunesch, konnte sich an beinahe den gesamten Text erinnern, nur die letzte Zeile fehlte. Kathy Leichter, die mit einem Filmteam aus New York nach Ravensbrück gekommen war, konnte nun dokumentieren, wie Elisabeth Kunesch den Text ihrer Großmutter Käthe Leichter diktierte:

Kleiner roter Ziegelstein
Fliegst von Hand zu Hand,
Reißest unsere Finger wund,
die vom Blute tropfen.
Reißest an unseren Herzen,
die heiß und stürmisch klopfen.
Steine für ein fremdes Haus,
Da unseres weit ……………..

<< zum Überblick