Berta Fröhlich (1921-2010)

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1921 – 9. Juli 2010

Berta Fröhlich (geb. Weinrich), erstes Kind einer Wiener Roma-Familie, war zehn Jahre alt, als ihre Mutter starb. Sie wuchs daraufhin mit ihren Geschwistern bei der Großmutter im 22. Wiener Gemeindebezirk auf. 1939 wurde die Familie im Zuge einer Razzia zusammen mit anderen Wiener Roma und Sinti festgenommen, fotografiert, zudem wurden von ihnen Fingerabdrücke genommen. Sie wurden dann zwar wieder nach Hause entlassen, zwei Wochen später erfolgte jedoch die neuerliche Verhaftung, und die Familie Weinrich wurde nach Schwechat gebracht. Im Interview aus dem Jahr 1999 erinnerte sie sich: „Da war die Fliegerhalle, und da sind sämtliche Zigeuner von Österreich hingekommen. Dort war Stroh drinnen. Da haben wir unterschreiben müssen fürs KZ. Das haben wir nicht gewusst. Uns ist gesagt worden, wir kommen für sechs Wochen zu einer Arbeit. Und dann ist der Zug gekommen und wir sind nach Ravensbrück gefahren.“
Berta wurde von ihrer Familie getrennt, ein Großteil von ihnen kam nach Auschwitz und wurde vermutlich dort auch ermordet, die Spur von ihnen verlor sich. Zwei Brüder kamen nach Lackenbach, Onkel und Vater nach Dachau.

Berta Fröhlich war eine jener 440 Roma, Frauen und Kinder, die mit dem ersten Roma-Transport aus Österreich ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert und dort am 29. Juni 1939 registriert wurden. Sie trug fortan die Nr. 1953 und einen braunen Winkel, nahezu sechs Jahre lang. „Drei Tage mit dem Zug unterwegs. Und die SS, die Aufseherin hat uns mit ihrem Schäferhund abgeholt. Wir haben das KZ gesehen. Ich war jung, 17 Jahre alt. Ich war sprachlos. Aber ich war nicht alleine, es waren 500 Zigeuner. Frauen.“
Zu Beginn ihrer Haft musste sie Sand schütten und Ziegelschupfen, bald kam sie aber in die Schneiderei, wo sie Hosen und Hemden anfertigen musste. Als sie sich selbst einmal ihr viel zu großes Kleid enger nähte, hatte dies schwerwiegende Folgen: „ Wir haben ein blaues Kleid gehabt, weiße Kopftücher und blaue Schürzen. Und nach der Arbeit war Appell, da sind wir abgezählt worden. Und die Großen, die waren immer ganz hinten. Und ich, weil ich zu spät gekommen bin, war vorne die erste. Die Oberaufseherin zählt ab und bleibt vor mir stehen. Schaut mich so an. Ich war fesch. Ich war wirklich fesch. Sagt sie: ‚1953, drehen Sie das Kleid um!‘ Ich drehe das Kleid um. ‚Was haben Sie gemacht?‘ Sage ich: ‚Frau Oberaufseherin, ich habe ein Vierer-Kleid gekriegt und das war mir zu groß. Ich bin ja so mager und so schlank. Ich habe es enger gemacht.‘ Da habe ich vierzehn Tage Zellenbau gekriegt. Verdunkelung. Jeden vierten Tag was zum Essen. Jeden vierten Tag einen Strohsack. Ich habe meine Stimme verloren. Das war 1941.“

Ihre große Religiosität war ihr eine wichtige Überlebensstütze während der insgesamt sechsjährigen KZ-Haft. Nach ihrer Rückkehr nach Wien werden schwere körperliche Folgeschäden der KZ-Haft festgestellt, weitere Erkrankungen kamen hinzu. Herr Fröhlich, den sie in Wien kennenlernte und ehelichte, war selbst Auschwitz-Überlebender. Berta Fröhlich brachte drei Töchter zur Welt. Sie starb nach langem schwerem Leiden – ihre Töchter pflegten sie die letzten sechs Lebensjahre – am 9. Juli 2010 in Wien.

Helga Amesberger

Quelle: Katrin Auer: „Die erste Zeit war furchtbar. Ich habe geglaubt, ich halte das nicht aus.“ In: Amesberger, Helga / Halbmayr, Brigitte (Hg.): Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung. Band 2: Lebensgeschichten. Wien 2001. S. 53-57