Friederike Jandl (1919-2013)

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30. Oktober 1919 – 17. Juli 2013

Friederike Jandl 1998 beim Interview. Foto: Brigitte Halbmayr

Friederike Jandl 1998 beim Interview.
Foto: Brigitte Halbmayr

Friederike Jandl wäre heuer 94 Jahre alt geworden. Ich durfte sie im Herbst 1998 kennenlernen. Für ein Interview habe ich sie in ihrem Haus in Wolfsberg besucht. Bei einer ehemaligen Wirtin zu Gast, gab es für mich und die Kamerafrau Gerda Klingenböck nach getaner Arbeit selbstverständlich ein gemeinsames Mahl: einen köstlichen Schweinsbraten. Und mit einem Sack großer Nüsse, frisch vom Baum, zogen wir weiter.

Friederike kam am 30. Oktober 1919 als ältestes Kind von Theresia und Hans Kalcher auf die Welt. Zwei Brüder folgten. Der Vater war von Beruf Jäger und diente bei mehreren Grundeigentümern. Schließlich fand er Arbeit in einem Sägewerk in Kärnten, ebenso die Mutter, sogar Friederike musste manchmal aushelfen. Es gab nicht ausreichend Geld, um der Tochter eine Berufsausbildung zu ermöglichen. So begann Friederike sehr früh ihr Arbeitsleben. Mit dreizehneinhalb Jahren wurde sie ausgeschult und musste bald selbst ihr tägliches Brot verdienen. Zuerst bei Bauern, dann in Haushalten, bevorzugt in Wien, schließlich verschlug es sie nach Köln, das war bereits im Jahr 1938. Sechs Jahre später – Friederike hatte inzwischen geheiratet – kehrte sie nach Kärnten zurück, auf der Flucht vor den Bomben der Alliierten.
In dem Graben hinter Ebriach bei Eisenkappel war die Familie von Friederike Jandl die einzige Deutschsprachige weit und breit, „selbstverständlich“ half man den PartisanInnen, es war geradezu unumgänglich – „sonst hätten sie uns erschossen“. Der Vater half mit Lebensmitteln und v.a. mit Patronen aus und stand durchaus in freundschaftlichem Kontakt zu ihnen, Tochter Friederike brachte ab und zu Brot und Kaffee.

Am 8. April 1944 wurde Friederike Jandl von vier ihr sehr gut bekannten Gendarmen beim Verlassen eines Gasthauses verhaftet, kurz darauf auch ihr Vater. Den Vorwurf der PartisanInnenunterstützung nahm sie zur Gänze auf sich, sodass der Vater wieder nach Hause gehen konnte. In ihrer Akte, die sie später zu Gesicht bekam, wurde sie als „politisch unzuverlässig“ eingestuft.
In der Haft in Klagenfurt an Gelbsucht erkrankt, wurde sie jedoch nicht in ein Krankenhaus, sondern ins KZ Ravensbrück überstellt. Die dort erlebten Schrecken ihrer einjährigen Haft hat sie nie vergessen – noch viele Jahrzehnte später galt, „jeden Tag, wenn ich die Augen zugemacht habe, war ich im Lager“. Schon die Ankunft war ein Schock. Doch sie hatte das Glück, eine Arbeit im Büro der politischen Abteilung zugeteilt zu bekommen. Dort war es trocken und sogar warm. Ihre Aufgabe war es, auf Karteikärtchen die Zu- und Abgänge sowie die Toten festzuhalten. Diese Arbeit in SS-Nähe ermöglichte es ihr, immer die neuesten Nachrichten in den Block mitzubringen – Rosa Jochmann erinnerte sich später daran, wie sie immer schon auf Neuigkeiten von Friederike Jandl gewartet hatte.
Eine der schrecklichen Erinnerungen ans Lager betraf eine Wienerin, die gemeinsam mit ihr deportiert worden war. Diese hatte den Versprechungen der SS Glauben geschenkt und sich für das Bordell gemeldet – auch die hübsche Friederike Jandl war dazu gedrängt worden, sie widersetzte sich aber. Nach sechs Monaten kam die Wienerin wieder ins Lager zurück – „sie hat ausgeschaut wie ein abgebranntes Dorf“.
Mit einem mehrsprachigen Passierschein ausgestattet, schlug sich Friederike Jandl nach der Auflösung des Lagers ganz alleine mit dem Fahrrad bis nach Hause durch. In Deutschland ging es ganz gut, doch „an der österreichischen Grenze war’s mit der Freundlichkeit vorbei“.

Die ersten Jahre nach dem Krieg wollte sie nur vergessen und nach vorne blicken. Später stellte sie sich den Erinnerungen und fuhr auch mit den anderen Frauen der Lagergemeinschaft Ravensbrück zu den Gedenkfeiern am zehnten, dreißigsten und fünfzigsten Befreiungstag. Ihren Winkel mit der Nummer 41.365 hatte sie ihr Leben lang aufgehoben – ungewaschen, „da ist noch Ravensbrücker Staub drauf“. Große Freude hatte sie mit der Veröffentlichung ihrer Lebensgeschichte im Rahmen unserer Ravensbrück-Studien. Sie kaufte mehrere Dutzend Exemplare an, um sie dann an ihre FreundInnen und Bekannten zu verschenken.
Ihren dritten Ehemann unterstützte Friederike Jandl im Holzhandel, gleichzeitig führte sie 30 Jahre lang ein gut gehendes Gasthaus. Die letzten Jahrzehnte im Ruhestand hatte sie sich ihre Lebens- und Unternehmungslust erhalten, auch nach dem Tod ihres Mannes vor einigen Jahren. Danach kümmerte sich ihre Freundin Hilde noch mehr als zuvor um sie, gemeinsam nahmen die beiden auch an den Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen der Lagergemeinschaft Ravensbrück 2007 im Parlament teil. Der telefonische Kontakt, in dem wir viele Jahre standen, wurde spärlicher, sodass die Nachricht vom Tod von Friederike Jandl am 17. Juli 2013 eine traurige, bittere Überraschung war.

Brigitte Halbmayr

Zum Weiterlesen: „Ich bin immer auf die Butterseite gefallen. Friederike Jandl“, in: Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr (Hg.): Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung. Wien 2001. Bd. 2

Zwei lebensgeschichtliche Interviews mit Friederike Jandl, geführt von Brigitte Halbmayr (Kamera: Gerda Klingenböck), sind Bestandteil des VideoArchivs Ravensbrück.