Hanna Vogl (1919-2006)

7. August 1919 – 9. Juni 2006

Erinnerungsfeier der Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen mit Interviewausschnitten von Hanna Vogl. Foto: Sylvia Köchl

Erinnerungsfeier der Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen mit Interviewausschnitten von Hanna Vogl. Foto: Sylvia Köchl

Johanna Vogl wuchs in einer achtköpfigen Arbeiterfamilie in Wien auf, der Vater war Hilfsarbeiter und in der Zwischenkriegszeit lang arbeitslos, die Mutter war vor ihrer Ehe als Gärtnerin in Schönbrunn tätig. Bis Anfang der 1930er Jahre wohnte die Familie in einer winzigen Kellerwohnung in ärmlichen Verhältnissen, mit der Zuteilung einer Gemeindewohnung wurden die Lebensumstände etwas besser. Ihren Traumberuf Kinderärztin zu erlernen, erlaubte die ökonomische Situation nicht, so begann Hanna nach Volks- und Hauptschule eine Lehre als Modistin, die Firma wurde jedoch aufgelassen; die Strumpffabrik, in der sie anschließend arbeitete, wurde „arisiert“. Hanna war dann bis zu ihrer Verhaftung arbeitslos.
Durch die Freundschaft mit Hansi Eibensteiner gelangte die damals etwa 15-jährige Hanna Vogl zum Kommunistischen Jugendverband (KJV). Rückblickend betrachtet meinte sie, dass es vor allem die erfahrene Armut in der Kindheit und Jugend gewesen war, die sie zum politischen Engagement bewog. Ihre Widerstandstätigkeit beschrieb Hanna Vogl als eine Unumgänglichkeit: „Weil das 34er Jahr haben wir doch erlebt im Gemeindebau. Wie sie geschossen haben. (…) Da hat man schon gespürt, dass nicht alles so geht, wie es sein sollte. Da bin ich dann nicht mehr herausgekommen.“ Hanna Vogl beteiligte sich am Verteilen bzw. der Übergabe von Flugblättern vor und in Fabriken, die sich inhaltlich gegen Krieg und Faschismus wandten; ab Herbst 1938 war sie Bezirksleiterin des KJV für den dritten Bezirk.
„Und im Februar 1940 hat es um fünf in der Früh bei uns geläutet. Es war die Gestapo und die haben mich auf die Roßauer Lände gebracht. Ich habe dann eigentlich alle Gefängnisse in Wien kennengelernt: Ich war, glaube ich, 16 Monate in Untersuchungshaft, dann war die Verhandlung. Im Namen des Volkes bin ich zu vier Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt worden.“ Es wäre nicht Hanna Vogl gewesen, hätte sie in diesem Unglück nicht auch etwas Positives gesehen. Sie hätte Glück gehabt, schon 1940 verhaftet worden zu sein, denn 1942 wären bereits viele hingerichtet worden. Für weitere 33 Monate kam sie ins Zuchthaus Aichach, davon acht Monate in Einzelhaft, einmal musste sie vier Wochen in der Korrektionszelle verbringen.
Im Juni 1944 wurde Hanna über Wien und Prag ins Konzentrationslager Ravensbrück überstellt. Ihre Hoffnung, dass sich in Ravensbrück die Lebensbedingungen etwas verbessern würden, erfüllt sich nicht. Wie alle anderen auch, kam sie nach ihrer Ankunft und nach stundenlanger „Nacktparade“ auf den Zugangsblock. „Zu dieser Zeit war die politische Organisation in Ravensbrück schon sehr gut. Das war eigentlich auch mein Glück, denn im Zugangsblock waren so viele Menschen. Wenn das Essen gekommen ist, haben sich die Menschen draufgestürzt. Ich habe dann – ich kann mich erinnern – von oben irgendwo harmlos heruntergeschaut. Ich wäre dort wahrscheinlich verhungert, wenn die Genossen nicht da gewesen wären.“ Durch die Bekanntschaft zu Mitgliedern der illegalen politischen Organisation kam Hanna Vogl schließlich auf Block 3 und kurze Zeit später wurde sie zur Arbeit im Konstruktionsbüro von Siemens & Halske zugeteilt.
Bei der „Evakuierung“ von Ravensbrück gelang ihr mit ihren Freundinnen Betty Wenz und Hansi Eibensteiner die Flucht. Der Heimweg nach Wien gestaltete sich abenteuerlich, sie verloren Hansi Eibensteiner, den Großteil der Strecke legten sie zu Fuß zurück.
Nach Zerwürfnissen mit ihrem Bruder zog Hanna Vogl von daheim aus und wohnte die ersten zehn Jahre bei ihrer Freundin Betty Wenz, inzwischen verehelichte Hirsch. Beide Frauen beantragen keine Opferrente, denn sie hätten sich jung und frei gefühlt, obwohl Hanna Vogl im Dezember 1945 an einer schweren Lungenentzündung erkrankte und daran monatelang laborierte.
Gleich nach der Rückkehr nahm Hanna Vogl die politische Arbeit innerhalb der KPÖ wieder auf, sie betreute das Obdachlosenheim im vierten Bezirk und errichtete einen Kindergarten. Mit der Geburt ihrer Tochter 1957 zog sich Hanna Vogl von der politischen Betätigung zurück, blieb aber bis ins hohe Alter Mitglied der Kommunistischen Partei und der Lagergemeinschaft Ravensbrück. Ihrer Tätigkeit als Kindergärtnerin ging sie bis zum 60. Geburtstag mit großer Freude nach.

Am 14. November 2006 veranstaltete die Lagergemeinschaft eine Gedenkfeier für die verstorbenen Kameradinnen Hanna Vogl und Lotte Gelb, bei der wir Ausschnitte aus den  Interviews mit den Frauen zu sehen und zu hören bekamen und Erinnerungen über die Verstorbenen austauschten. Zum Abschluss sangen wir gemeinsam das Lied „Die Gedanken sind frei.“

Die Zitate entstammen lebensgeschichtlichen Interviews aus den Jahr 1999, vgl. dazu: Amesberger Helga, Halbmayr Brigitte (Hg.): Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Band 2: Lebensgeschichten. Wien 2001.


Ein Interview mit Hanna Vogl, geführt von Helga Amesberger (Kamera: Bernadette Dewald), ist Bestandteil des VideoArchivs Ravensbrück.