Karla Glaubauf (1910-2003)

18. September 1910 – 18. August 2003

Karla Glaubauf wurde am 18. September 1910 in Lüneburg/Deutschland geboren und wuchs zusammen mit ihrer Schwester in einer bürgerlichen Familie in Hamburg auf. Karla besuchte die Deutsche Ober- und Realschule, später belegte sie an der Universität Englisch-Kurse. Das Verhältnis zwischen Eltern und Töchtern war sehr gut, bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Karla verschwieg der Familie ihre Aktivitäten und Einstellungen – sie war zur überzeugten Kommunistin geworden –, um sie nicht zu gefährden. Gleichzeitig verursachte das aber einen Bruch in der Familie, der nach 1945 nie mehr ganz zu kitten war.

Mit 19 Jahren übersiedelte Karla Glaubauf mit ihrem ersten Ehemann nach Mannheim. Als sie Moritz, ihren späteren Lebensgefährten kennenlernte, ließ sie sich scheiden. Die Machtergreifung Hitlers 1933 bedeutete einen tiefen Einschnitt im Leben des jungen Paares. Moritz, studierter Techniker und Inhaber eines Ingenieursbüros, wurde durch die Arbeitsverbote gegenüber Juden und Jüdinnen seiner Existenzgrundlage beraubt.
Die beiden verließen nun Deutschland mit dem Ziel Wien, wo eine Schwester von Moritz wohnte. Karla konnte direkt einreisen, Moritz jedoch gelangte über Brünn mit gefälschten Papieren nach Österreich. Von 1934 bis 1938 lebten sie in Wien. Sie waren in allen möglichen Berufen tätig, bis Moritz wieder ein Ingenieursbüro führen konnte. Karla verkaufte ab 1935 Dentiplast und Alabastergips bei Zahnärzten. Gleichzeitig versuchte sie, ihre Kunden, von denen viele Juden waren, über die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus aufzuklären, doch ihr wurde kein Glaube geschenkt.

Als die Nazis auch in Österreich die Macht übernahmen und Karla und Moritz mit ansehen mussten, wie ihre Hausbesorgerin sogleich eine Hakenkreuzfahne hisste, tauchten sie für ein paar Tage unter. Ein Bekannter versteckte sie in einem Matratzenlager hinter seiner Werkstatt – von den sechs versteckten Personen überlebten nur zwei. Karla und Moritz lösten die gemeinsame Wohnung auf und mieteten sehr kurzfristig Wohnungen, um niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Doch als es für Karla in Wien nicht mehr möglich war, ohne Meldezettel eine Arbeit zu finden, zogen sie nach Baden. Gleich bei der Ankunft „war da ein Transparent, ganz groß: ‚Baden ist die erste ostmärkische Stadt, die judenrein ist.‘ Und wir sind hingezogen!“
Moritz und Karla fanden in Baden Arbeit und nahmen Moritz‘ Bruder Walter auf, der sich aus der Tschechoslowakei zu ihnen geflüchtet hatte. Walter konnte sich nicht offiziell polizeilich melden und durfte deshalb auch nicht arbeiten; er war auf die Wohnung beschränkt, besuchte ab und zu ein Kaffeehaus. Drei Jahre lang ging alles gut – dann wurden sie denunziert: Anfang 1943 wurde der Polizei angezeigt, dass hier ein Mann in berufsfähigem Alter keiner Arbeit nachgehe. Walter wurde im Kaffeehaus verhaftet, Moritz an seinem Arbeitsplatz. Erst bei der Verhaftung wurde den Behörden klar, dass sie zwei jüdische Männer gefangengenommen haben. Moritz und Walter wurde sogleich ihr Bestimmungsort mitgeteilt: Auschwitz. Sie wurden beide dort ermordet.
Karla war nicht überrascht, als auch sie am nächsten Tag verhaftet wurde. Bis Ende Mai 1943 war sie in verschiedenen Gefängnissen eingesperrt, dann kam sie auf einen Transport ins KZ Ravensbrück.

In Ravensbrück hatte Karla Glaubauf großes Glück, denn sie kam rasch auf jenen Block, wo Rosa Jochmann Stubenälteste war, die sehr auf ein gutes Verhältnis zwischen den Häftlingen achtete. Und auch bei der Arbeitsverteilung hatte sie Glück, denn sie wurde für Schreibarbeiten herangezogen. Da die Versorgungslage in Ravensbrück schlechter und schlechter wurde, durften die Frauen Lebensmittelpakete von zu Hause erhalten. Karla bekam von ihrer ehemaligen Vermieterin in Baden Essenspakete geschickt, die immer mit den Freundinnen geteilt wurden: „Ich war zum Beispiel in einer Gruppe mit fünf Frauen. Wir haben alles untereinander geteilt, was wir zusätzlich bekommen haben. Ob jetzt Pakete oder ob es von der Küche heraus war. Weil manche Kameradinnen haben ja in der Küche gearbeitet. Und die haben uns auch manchmal was gebracht: ein Stück Fleisch oder irgendwas anderes. Und das haben wir natürlich untereinander aufgeteilt. So viel war’s nicht, für vier, fünf ist es sich immer ausgegangen.“ Doch mit der Zeit war auch Karla Glaubauf von den Lagerstrapazen so geschwächt, dass sie Gefahr lief, beim Appellstehen zusammenzubrechen. Rosa Jochmann erlaubte Karla, während des Appells auf der Pritsche liegen zu bleiben. „Da hat sie gesagt, ich soll liegen bleiben, und hat mich so zu gedeckt, mit der Decke, dass man nicht sieht, dass da jemand liegt. Das Polster so draufgelegt. Und dann, beim Zählen, ist sie immer weitergegangen, damit es nicht auffällt, dass eine weniger ist.“
Karla Glaubauf war auch in die illegale Lagerorganisation eingebunden. In der spärlichen Freizeit, bei Treffen auf der Lagerstraße oder im Block, wurde politisiert und beratschlagt, was man tun, wem wie geholfen werden konnte. Immer wieder wurde auch über die zukünftige Gesellschaftsform diskutiert: „Na ja, wir haben besprochen, was wir machen werden, wenn wir nach Hause kommen. Wie wir arbeiten werden, ob wir Möglichkeiten haben, für die Partei zu arbeiten, und was wir dann alles unternehmen können. (…) Wir haben gehofft, dass, wenn der Hitler in weiter Ferne ist, dass wir eine ordentliche Zivilisation zusammenbringen und ein ordentliches Leben führen können. (…) Dass man in die Zukunft schaut, dass man schaut, was man in der Zukunft machen wird, hat sicher viel zum Überleben beigetragen.“ In den letzten Apriltagen 1945 gelang Karla Glaubauf gemeinsam mit drei Freundinnen die Flucht vom Todesmarsch der Häftlinge Richtung Westen.

Nach ihrer Heimkehr bekam Karla Glaubauf sehr bald Arbeit bei der kommunistischen Tageszeitung „Volksstimme“; nach sieben Jahren wechselte sie zur kommunistischen Zeitung „Abend“, und bis 1955 war sie im Zentralen Kulturreferat der KPÖ tätig. Danach fand sie Arbeit bei der Textilfirma Agrü, wo sie bis zur Pensionierung beschäftigt war.
Ihren zweiten Ehemann, Dr. Fritz Glaubauf, hatte Karla schon bei der „Volksstimme“ kennengelernt; sie bekamen eine Tochter (geb. 1947) und einen Sohn (geb. 1949) und heirateten 1952. Die Familie lebte in einer Gemeindewohnung in Wien-Favoriten. Fritz Glaubauf starb Ende der 1970er Jahre.

Karla Glaubauf (ganz rechts) mit Hilde Zimmermann und Friedl Sinclair (li.) beim Treffen der Lagergemeinschaft Ravensbrück im April 1999. Foto: Sylvia Köchl

Karla Glaubauf (ganz rechts) mit Hilde Zimmermann und Friedl Sinclair (li.) beim Treffen der Lagergemeinschaft Ravensbrück im April 1999. Foto: Sylvia Köchl

Karla Glaubauf engagierte sich viele Jahre lang im KZ-Verband Favoriten und in der Lagergemeinschaft Ravensbrück (und im hohen Alter von 90 Jahren besuchte Karla Glaubauf einen Englischkurs, um sich geistig fit zu halten). Die Haltung der meisten ÖsterreicherInnen gegenüber den Verfolgten und WiderstandskämpferInnen war für sie nur schwer zu ertragen. Als sie z.B. in den 1950er Jahren einmal mit ihren Kindern ihre ehemalige Vermieterin in Baden besuchte, begegneten sie einer alten Frau, die sich im Vorübergehen umdrehte und sagte: „Jetzt ist das Judengesindel schon wieder da!“
Ende 1945 hatte sie zusammen mit Fritz Glaubauf Auschwitz besucht: „Da ist noch die ganze Asche gelegen.“ Danach kehrte sie nie wieder an diese und andere Stätten des Grauens zurück. Der Lagergemeinschaft Ravensbrück blieb sie jedoch bis zu ihrem Tod 2003 eng verbunden.

Brigitte Halbmayr

Gekürzte Fassung des Buchbeitrags: „Da war ein Transparent: ‚Baden ist die erste ostmärkische Stadt, die judenrein ist.‘ Und wir sind hingezogen!“ Karla Glaubauf (geborene Kampf); in: Amesberger, Helga/Halbmayr, Brigitte: Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Band 2 – Lebensgeschichten. Wien 2001

Ein lebensgeschichtliches Interview mit Friedl Sinclair, geführt von Brigitte Halbmayr (Kamera: Gundula Daxecker), ist Bestandteil des VideoArchivs Ravensbrück.

Hinweis:
Videoportrait von Karla Glaubauf