Josefine Oswald (1928 – 2022)

Josefine Oswald
Erneut müssen wir uns von einer Zeitzeugin und lieb gewonnenen Gefährtin verabschieden. Josefine Oswald, Überlebende des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, ist am 1. März 2022 im 94. Lebensjahr verstorben. Auf der Parte steht:

Wenn ihr an mich denkt, seid nicht traurig.
Erzählt lieber von mir und traut euch ruhig zu lachen.
Lasst mir einen Platz zwischen euch, so wie ich ihn im Leben hatte.

Fini, wir werden dich nicht vergessen! Dankbar werden wir uns an dein freundliches Wesen erinnern, an dein verschmitztes Lächeln bei all deiner stillen Traurigkeit, die immer spürbar war, an deine Hilfsbereitschaft. Nie hast du über jemanden ein schlechtes Wort verloren, immer warst du umsorgend und einsatzfreudig. Es ist dir nicht leicht gefallen, über die Verfolgung und deine Erfahrungen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück zu sprechen. Trotzdem hast du dich immer wieder dieser schwierigen Aufgabe gestellt. Vielen, vielen Dank dafür! Wir werden deine Geschichte weitertragen.

Josefine Oswald (2001) © Helga Amesberger

Josefine Oswald – ein kurzer Rückblick auf ihr Leben

Josefine Oswald, geboren am 18. März 1928, wuchs als Kind des Ehepaares Hedwig und Friedrich Lengger auf einem kleinen Pachtbauernhof in Sonnberg, bei Tragöß in der Steiermark, auf. Sie hatte acht Geschwister, zwei davon brachte ihre Mutter Hedwig in die Ehe mit. Vater Friedrich war Kriegsinvalide. Josefines Kindheit war geprägt von Arbeit und Entbehrungen, aber auch durch familiären Zusammenhalt und Fürsorge. In den 40er Jahren wurde der Bergbauernhof durch seine abgeschiedene Lage zu einem Stützpunkt für PartisanInnen. Auch Josefines Halbbruder Heinrich Kohnhauser schloss sich ihnen im Jahr 1944 an. Nachdem ein Partisane die Familie verraten hatte, erschien am 18. August 1944 die Gestapo am Hof und verhaftete die 16-jährige Josefine sowie ihre Eltern, ihre Schwester Bibiana und ihre Tante Maria Schweinegger, die gerade zu Besuch war. Der 13-jährige Bruder blieb allein zurück.
Nach sechs Wochen Haft im Kreisgericht Leoben wurden die Frauen am 29. September 1944 mit einem „Sondertransport“ über Bruck an der Mur nach Ravensbrück deportiert, wo sie am 3. Oktober eintrafen. Ihre Häftlingsnummer und ihr Name war von nun an 75070. Im Konzentrationslager meldeten sich die beiden Schwestern zur Außenarbeit auf einem Gutshof, welche zwar sehr schwer war, ihnen jedoch ermöglichte, Essen für sich und ihre Mutter zu besorgen. Später kamen sie in der Schälküche unter, während die Mutter zum Sockenstricken eingeteilt wurde. Als die Mutter gemeinsam mit Frau Sagode auf einen jener Blöcke verlegt wurde, in denen alle alten und gebrechlichen Frauen zur alsbaldigen Selektion für den Tod untergebracht wurden, setzten Josefine und ihre Schwester alles daran, die beiden Frauen wieder aus dem Block zu holen. Mit Unterstützung der Blockältesten gelang es ihnen.
Im Interview Ende der 1990er-Jahre erzählte Frau Oswald, dass die „Mami“ ohne ihre Hilfe nicht mehr heim gekommen wäre. Am 28. April 1945 konnten die Frauen auf einem der „Evakuierungsmärsche“ entkommen, benötigten aber insgesamt drei Monate für die Heimreise, die teilweise zu Fuß und per Pferd bewältigt wurde. Zu Hause angekommen, ereilte sie der nächste Schicksalsschlag. Der Vater hatte zwar das Konzentrationslager Mauthausen überlebt, starb jedoch kurz nach der Befreiung am 4. Juni 1945 an den Haftfolgen. Bruder Heinrich war als Partisane in Eisenerz erschossen worden, weitere Brüder sind im Krieg gefallen.
Im Jahr 1948 heiratete die nun 20-jährige Josefine einen ehemaligen Wehrmachtsoldaten, sie brachte insgesamt drei Kinder zur Welt und war in den folgenden Jahren im Haushalt tätig. Zusätzlich besserte sie sich das Haushaltseinkommen durch den Verkauf von Pilzen auf. Das Pilzesuchen und die Gartenarbeit halfen dabei, ihre depressiven Verstimmungen zu lindern. Frau Oswald sprach äußerst selten über ihre Erlebnisse im Konzentrationslager, selbst ihren Kindern erzählte sie nicht davon. Es fiel ihr schwer über die Verfolgung zu reden, da dann die Nächte wieder mit Albträumen und Schlaflosigkeit einhergingen. Enttäuscht war sie vor allem über die fehlende Wertschätzung bzw. Anerkennung der Widerstandstätigkeit. Eine solche hat sie und ihre Familie weder von den damaligen PartisanInnen noch von der Bevölkerung erhalten. (Helga Amesberger)

Fini Oswald mit Enkeltochter Shirin und Tochter Rita (v.r.n.l.) während der Gedenkfahrt 2011 nach Ravensbrück © Helga Amesberger

In den letzten beiden Jahrzehnten waren wir über die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & Freundinnen immer wieder mit Fini in Kontakt. Mehrfach nahm sie mit ihrer Tochter Rita und auch Enkeltochter Shirin an der jährlichen Gedenkfahrt nach Ravensbrück teil. Auch dort erzählte sie, über das ehemalige Lagergelände gehend, von ihrer schweren Haftzeit. 

Fini Oswald mit Bernadette Dewald bei der Befreiungsfeier 2008 in Ravensbrück © ÖLGR/F

Eine ausführlichere Lebensgeschichte von Josefine Oswald ist in diesem Buch nachzulesen:
Josefine Oswald. „Es ist alles nur wegen der Gutheit zustande gekommen“, verfasst von Helga Amesberger, in: Amesberger, Helga und Halbmayr, Brigitte (Hg.): Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung, Band 2: Lebensgeschichten, Wien: Promedia, 2001, S. 174–178.

Es gibt auch ein Video-Porträt von Josefine Oswald, das hier abgerufen werden kann:
Josefine Oswald: „Ich habe nicht so viel gedacht damals, was uns bevorsteht.“
A 2009, 37 min
Regie, Kamera, Schnitt: Marika Schmiedt
2. Kamera: Bernadette Dewald
Interviews: Helga Amesberger
© Marika Schmiedt und ÖLGRF